Das Familienstellen nach Hellinger im Umriss
Die zweite Grundlage des Familienstellens ist die gesammelte (oder, wie Hellinger auch sagte: „phänomenologische“) Vorgehensweise. Sie gilt für alle Beteiligten: In erster Linie für den Anleiter, in ähnlicher Weise für die Stellvertreter und teilweise auch für den Klienten. Vor allem in der frühen Zeit ließ Hellinger die Falleinbringer selbst Stellvertreter auswählen und dann „gesammelt“ aufstellen.
Was heißt hier „gesammelt“? Sind wir denn sonst „verstreut“? Wir sind vor allem in unseren Gedanken und Bildern der Wirklichkeit unterwegs. Die schieben wir beiseite, zum Beispiel, indem der Anleiter den Falleinbringer auffordert: „Nimm den Stellvertreter von hinten bei den Schultern…“, also ohne Blickkontakt, „…und dann gehst du ganz nach deinem inneren Gefühl, so wie es jetzt kommt, und führst ihn an den Platz, der sich richtig anfühlt.“
Hellinger: „Wenn einer seine Familie so aufstellt, überrascht [das Ergebnis] den, der es aufgestellt hat, oft selbst. So, wie er sich das vorher zurecht gelegt hat, stimmt es nie. Wie die Familie wirklich ist, kommt erst während der Aufstellung Schritt für Schritt ans Licht.“ 3
Zur Sammlung gehört in erster Linie das Weglassen aller Erwartungen und Vorstellungen, die im Vorhinein da sind, statt dessen die Wahrnehmung von Eingebungen und Impulsen. Für den Aufstellungsleiter hat Bert Hellinger immer wieder eine besondere innere Haltung gefordert:
Ohne Angst. Ohne Urteil. Ohne Absicht. Und manchmal hat er ausdrücklich hinzu gefügt:
„…das heißt auch ohne die Absicht zu helfen.“ Die Aufstellung öffnet ein Feld, in dem sich etwas Wesentliches zeigen kann, das bisher verborgen war.
In dieser Sammlung liegt ruhige Kraft, Gegenwart, Bereitschaft, sich allem auszusetzen, was in der Aufstellung auftauchen mag. Sie bedeutet äußerste Zurückhaltung mit der Bereitschaft einzugreifen, wo es nötig ist. Die wesentliche Qualifikation, um Aufstellungen nach Hellinger anzuleiten ist nicht irgendein fachliches Wissen, sondern die Fähigkeit zu dieser gesammelten Haltung.
Die Stellvertreter müssen ebenso gesammelt sein: Offen für alles, was kommen mag, und alles zum Ausdruck bringen, was in ihnen auftaucht: Ohne Furcht, ohne Bewertung, ohne Absicht. Und wenn der Klient „gesammelt aufstellt“, ist er im Grunde ein Stellvertreter seiner selbst.
Der Klient sollte auch nach der Aufstellung gesammelt bleiben. Hellinger: „Ich versperre der Energie [der Aufstellung] den Abfluss in Diskussionen. So bleibt sie für das Handeln gesammelt. Darum dulde ich auch keine ausführlichen Nachbesprechungen.“ 4
Falleinbringer werden nach einer Aufstellung aufgefordert, für ein paar Tage (oder wenigstens für diesen Tag) nicht mit anderen über die Aufstellung zu sprechen.
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3 Linz, 1994
4 ebendort