8. Bewegungen

Das Familienstellen nach Hellinger im Umriss

Seit den Anfängen, auf die Hellinger in seiner Standortbestimmung zurückschaute, zeigt sich immer wieder neu, wie zuverlässig das Instrument der Stellvertreter-Wahrnehmung ist und dass das, was sich innerhalb einer Aufstellung vollzieht, ohne Weiteres große Wirkung hat – nicht nur auf die Falleinbringer selbst, mit denen er gearbeitet hatte, sondern auch auf andere Mitglieder ihres Systems. Das war ab Mitte der 90er Jahre für jeden, der es wissen wollte, eine gesicherte Erkenntnis. Da musste nichts mehr erwiesen werden.

Bis dahin hatte Hellinger seine Aufstellungen nur Schritt für Schritt sich entfalten lassen. Er zergliederte sie kontrolliert in Einzelbilder, so dass jeder einzelne Entwicklungsschritt nachvollziehbar, überprüfbar und verständlich wurde – für für ihn selbst und für jeden anderen Beobachter.

Seit den frühen 2000er Jahren ließ Hellinger die Stellvertreter sich weitgehend frei bewegen. Seine ohnedies äußerst knappe Erkundung des Anliegens ließ er nun oft ganz wegfallen. Er vertraute ganz darauf, dass die Bewegungen der Stellvertreter, wenn sie ihren inneren Wahrnehmungen folgten, etwas Wesentliches ans Licht bringen würden.

Zu jenem Zeitpunkt schien es richtig, ja überfällig, den Aspekt der Bewegung zu betonen, und er sprach von seiner Arbeit als „Bewegungen der Seele“ oder „Bewegungen des Geistes“. Die Begriffe „Aufstellung“ oder „Familienstellen“ hatte Hellinger ja aus der Zeit mitgeschleppt“, als er die (eher statischen) Aufstellungen der Systemischen Therapie kennenlernte. Dort ist er auch passend: Jemand stellt das „innere Bild“ auf, das er von seiner Familie hat. Jeder kann es sehen, und das war’s.

Nicht so bei Hellingers Ansatz. Hier werden die innerlich wahrgenommenen Impulse der Stellvertreter in eine Bewegung überführt. Diese Bewegung verändert das Anfangsbild der Aufstellung. Sie führt zu weiteren Schritten und dadurch zu neuen Einsichten und veränderten Haltungen. Und das bringt auch bei den tatsächlichen Personen eines Systems etwas in Bewegung.

Von „Aufstellung“ und „Familienstellen“ zu sprechen, hat sich gewohnheitsmäßig festgesetzt. Streng genommen ist das irreführend. Es geht um Bewegungen! Ganz gleich, ob ein Aufsteller in der alten Form arbeitet und die Bewegungen in Sequenzen zerlegt, oder ob er sie in der neueren Form „frei“ fließen, lässt – die Bewegungen der Stellvertreter sind das praktische Kriterium, wo ein Aufsteller überhaupt eingreifen muss:

„Auch wenn der Therapeut die Stellvertreter ihrem Impuls überlässt, behält er doch die Führung in der Hand. Er sieht zum Beispiel, ob eine Bewegung zu Ende geht oder ob sie blockiert ist. Dann greift er ein. Er ist eingebunden und setzt die notwendigen Schritte, wenn es gefordert ist.“ 11

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11 Hohnen/Ulsamer 2001, S. 29.

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