Vor dem Familienstellen hatte Bert Hellinger mit dem „Lebensskript“ der Transaktions-Analyse gearbeitet. Das ist das Drehbuch, nach dem der Film unseres Leben abläuft. Dieses Skript deutet sich an in einer Lieblingsgeschichte, die viele Menschen durch das Leben begleitet und auch leitet. Soweit mir bekannt ist, hat Bert über sein eigenes Lebensskript nie etwas gesagt. Es gibt aber Hinweise.
Zusammen mit Ursula Steinbach hatte ich 2012 eine Aufstellung, die ein Licht darauf wirft. (Sie ist beschrieben im Buch Das goldene Fenster, Sn. 120 ff.) Sie könnte erklären, warum für Bert schon im Alter von fünf oder sechs Jahren wusste, dass er Priester werden würde. Er selbst vermutete, „dass diese Entscheidung mit meiner Familienverstrickung zusammenhängt.“1 Ebenso, wie Psychologen sich alles aus der Kindheit eines Menschen erklären wollen, erklären sich Familiensteller gern Unerklärliches aus einer „Verstrickung“. Für solch eine Verstrickung gibt es hier aber nicht den geringsten Hinweis. Berts eigene Vermutung ist hier völlig spekulativ.
Dokumentiert hingegen ist, dass sich Bert im Lauf mehrerer Jahrzehnte wiederholt auf eine bestimmte Geschichte bezog. Es handelt dabei sich um die Verheißung des Propheten Jeremia im alten Testament:
„So spricht der Herr: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es in ihr Herz. Sie alle, Klein und Groß, werden mich erkennen.„2
Was dieser Satz für ihn selbst bedeutete, hat Bert in einem Vortrag „Ich glaube – in der Erfahrung der Gemeinschaft“ erläutert: Die Möglichkeit persönlicher Gotteserkenntnis, unabhängig von jeder Überlieferung.
Dies war in Bert Hellingers Leben das wiederkehrende Thema, sein „Lebensskript“. In seinen Büchern seit Mitte der 90er Jahre findet es sich an verschiedenen Stellen wieder, besonders klar und eindeutig im erwähnten Vortrag „Ich glaube – in der Erfahrung der Gemeinschaft“3, aber auch im Kapitel Die natürliche Religion im Buch Die Mitte fühlt sich leicht an4. Darum geht es in seinen Büchern Wahrheit in Bewegung, Gottesgedanken, Natürliche Mystik und anderen. Dieses Leitthema begleitete ihn durch all die verschiedenen Stationen seines Lebens: als Missionspriester oder Schulleiter in Südafrika, als Psychotherapeut oder später in seiner „geistigen“ Aufstellungsarbeit.
Was letztlich zu seinem Bruch mit der Kirche geführt hat, wissen wir nicht genau. In seinem autobiografischen Buch Ein langer Weg teilt er nur mit, seine Rückkehr nach Deutschland „wurde mir sozusagen durch die Umstände aufgezwungen“.5 Über diese Umstände sagte er wenig mehr als: „Man hat mir vorgeworfen, ich lehrte nicht mehr im Sinne der Kirche“.6 In seinem Vortrag „Ich glaube…“ von 1972 – also ganz kurz nach seiner Rückkehr aus Südafrika beschreibt er einen Konflikt mit der Kirche. Dabei geht es genau um das Thema der persönlichen Offenbarung oder Gotteserkenntnis.
Hier ist natürlich die Frage, in welcher Weise sich dieses persönliche Lebensthema Bert Hellingers auch in seiner Arbeit mit Aufstellungen wiederfindet.
- Siehe: Hellinger/ten Hövel, Ein langer Weg. München 2003. S. 35 ↩︎
- Jeremia 31,33-34. Die Bibel. Einheitsübersetzung ↩︎
- Vortrag von 1972, abgedruckt in Bert Hellinger, Religion, Psychotherapie, Seelsorge aus dem Jahr 2000 ↩︎
- Erstveröffentlichung 1996. Das Buch ist ein Sammelband. Von wann dieser spezielle Text datiert, ist mir nicht bekannt. ↩︎
- Bert Hellinger/Gabriele tenHövel, Ein langer Weg. Gespräche über Schicksal, Versöhnung und Glück. München, 2005. S. 50 ↩︎
- ebendort, S. 47 ↩︎
FORTSETZUNG FOLGT !
