Zu 2, Familienaufstellung nach Hellinger

https://www.therapie.de/psyche/info/therapie/familienaufstellung/die-klassische-familienaufstellung

Bevor im Abschnitt „Familienaufstel­lung nach Hellinger“ auch nur ein Wort darüber gesagt wird, worum es sich dabei handelt, schickt dieser Artikel voraaus, dass sich die DGSF 2003 da­von distanziert habe. Offenbar ist dies für therapie.de das Wichtigste, was man über die Hellin­ger-Arbeit wissen muss. Der Artikel macht sich insgesamt nicht nur die Perspek­tive der deutschen Systemiker zueigen, er besteht auch zu großen Teilen aus einer Wie­der­gabe jener Distanzie­rung, manchmal als Zitat gekennzeichnet, meistens nicht.

Zur Hälfte besteht dieser Abschnitt aus Mutmaßungen über Hellingers Konzept und über den Ablauf einer Aufstellung. Die andere Hälfte besteht aus einer Sammlung von Unterstellungen und Verdächtigungen gegen Hellinger und seine Arbeit. Praktisch in jedem Satz findet sich etwas Zweifelhaftes oder Falsches, das nach Richtigstel­lung schreit, und es ist nicht leicht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Schon die Begrifflichkeit Amrheins zeigt, wie sehr das Denken der Autorin in der konstruktivistisch-systemischen Ideologie be­fangen ist. Daher liegt Bert Hellingers eigenes Verständnis seiner Arbeit einfach außerhalb ihres Vorstellungsver­mögens. Sie versteht es nicht und, sie kann und will es nicht verstehen. Ein paar Beispiele:

Dass die Verbundenheit der Mitglieder eines Systems aus „emotionalen Banden“ bestehe, nennt Amrhein eine „Idee“ Hellingers. „Bindung“ in Hellingers Verständnis ist etwas ganz anderes als „emotionale Verbundenheit“. Und ob es Bindung in einem Familiensystem gibt oder nicht, das erweist sich in der Aufstellung. Für Hellinger geht nicht um Ideen, sondern um die Wirk­lichkeit – so, wie sie sich in der Aufstel­lung zeigt.

Weiter Amrhein: „Wenn ein Kind seine Eltern hasst oder wenn der Kontakt zwischen Fami­lienmitgliedern abreißt, kann dies zu psychischen Problemen oder Krankheiten bei Mit­gliedern der Familie führen.“ Welcher psycho­somatischen Mediziner würde das be­streiten? Das ist nicht nur eine „Idee“ von Bert Hellinger. Zahl­lose Aufstellungen haben es bestätigt. Hier noch von einer „Annahme“ zu sprechen, zeugt schlicht von der Unkenntnis der Verfasserin.

Amrhein behauptet: „Die Aufstellung wird von Bert Hellinger meist dramaturgisch wirksam auf einer Bühne in Szene gesetzt.“ Wie kommt sie zu dieser Auffassung? Durch Beobachtung sicher nicht. Entweder hat sie Hellinger nie bei der Arbeit gesehen, oder sie lügt. Was immer „dramaturgisch wirksam“ genau heißen soll – in der Aufstellungsarbeit nach Hellinger wird gar nichts inszeniert. Wer sich an der Stellvertreter-Wahrneh­mung orientiert, muss sich jeder „Inszenie­rung“ enthalten. Beides zugleich geht nicht. Umgekehrt ist es bei den Familien­aufstellungen der Systemischen Therapie. Dort gehört das Darstellen per­sönlicher Ansichten zum Konzept. Ist es nicht erstaunlich, dass die Autorin (wie andere Systemiker auch) Bert Hellinger etwas vorwirft, was bei ihnen selbst richtig sein soll?

Die nachfolgende „Kritik“ ist eigentlich keine. Kritik würde voraussetzen, dass man einen Sachverhalt grundsätzlich kennt und verstanden hat und im konkreten Fall überprüft. Bei Amrhein ist nichts davon gegeben. Sie kolportiert distanzlos die übelsten Gerüchte und Verleum­dungen. Mit vielem „könnte, könnte, könnte“ wird die angebliche Gefährlichkeit der Aufstellungarbeit nach Hellinger umrissen. Dann aber folgt als Tat­sachen­behauptung: „Teilnehmer:innen an Familienaufstellungen wurden schon wegen akuter Suizidgefahr in die Psychiatrie einge­wiesen, manche brachten sich tatsächlich um.“ Ja, da könnte man an einer „ethischen Vertretbarkeit“ der Aufstellungsarbeit zweifeln. Vor­sichtig, wie die Autorin ist, behauptet sie auch nicht, dass diese Teilnehmer wegen ihrer Teilnahme an einer Aufstellung in die Psychiatrie eingewiesen wurden oder sich umbrachten. Und es kommt ja tatsäch­lich vor, dass Menschen sich umbringen. Jeder Arzt oder Psycho­therapeut lebt mit der Mög­lichkeit, dass er einen Patienten durch Selbst­mord verliert. Auch Bert Hellinger ist das einmal passiert.

Auch wenn Amrhein das nicht expressis verbis sagt, legt ihr Artikel in therapie.de einen ursächlichen Zusammenhang nahe, dass sich Menschen umbringen, weil sie an Aufstel­lun­gen teilnehmen. Der Kontext ist ja die Behauptung, dass Aufstellungen „gefährlich sein können“. Wenn es wirklich einen ursächlichen Zusammen­hang gäbe – wo wären dann die psychiatri­schen Untersuchungen, die das quali­fiziert nachwiesen? Gäbe es solch einen Nachweis, er wäre in dieser „Kritik“ mit Sicherheit nicht unerwähnt geblieben. Aber es gibt keinen.

Amrhein behauptet: „Am Ende der Aufstellung wird der Klient häufig dazu aufgefordert, sich hin­zuknien und sich bei Familienmitgliedern zu entschuldigen – selbst dann, wenn diese ihm Unrecht angetan haben.“ Das hat sich die Verfasserin aus den Fingern gesogen. Sie lügt. Wenn das nämlich wirklich häufig so gewesen wäre, wie sie behauptet, dann könnte sie das mit geringer Mühe nachweisen. Denn fast alle Seminare Bert Hellingers (etwa ab Mitte der 90er Jahre) sind auf Videos und in Büchern dokumentiert. Was Amrhein Bert Hellinger unter­stellt, wäre über­prüfbar. Sie tut es aber nicht, und zwar aus gutem (oder schlechtem) Grund: Sie kann nicht belegen, was sie behauptet, weil es einfach nicht stimmt.

Unter der Zwischenüberschrift „Kritik der Methode“ behauptet Amrhein, Hellinger „ver­weigere sich (…) einer wissenschaftlichen Untersuchung seiner Methoden“. Das ist nicht wahr. 1995 sagte Hellinger in einem Interview: „Ich halte dieses Bedürfnis für legitim, dass man sehen will, welche Wirkung es [das Familienstellen] hat. Und ich bin auch bereit, da mit zusammen zu arbeiten. Deswegen will ich auch eine Dokumentation erstellen, wo man sieht, was in einem Kurs abgelaufen ist.“1 Wie kein Zweiter hat Hellinger  seine Arbeit dokumen­tiert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Jeder Wissenschaftler, der seine Methode untersuchen wollte, könnte das tun. Wenn niemand diese Mühe auf sich nehmen will – wessen Schuld ist das dann?

Hellingers „Kritiker“ ziehen es vor, haltlos drauflos zu schwadronieren. Ihr Ziel ist es, die Aufstellungsarbeit nach Hellinger mit allen Mitteln zu diskreditieren und ins Abseits zu drängen. Diesem Ziel dient die Behauptung, es gäbe keine wissenschaftliche Untersuchung, weil Hellinger sich verweigere. Das es erlogen ist, spielt keine Rolle. Irgendwas wird schon hängen bleiben, vor allem, wenn man die Behauptung über Jahrzehnte wiederholt. An den wissenschaftlichen Untersuchungen, die es durchaus gibt, sind sie gar nicht interessiert.

Im nächsten Abschnitt Kritik an der ethischen Vertretbarkeit werden Vorstel­lungen von einer „richtigen“, „ethisch vertretbaren“ Therapie ausgeführt, die in der Systemischen Familien­therapie verbreitet sind. Sie gehen am Konzept und der Praxis der Hellinger-Arbeit vorbei und sind auf sie nicht anwendbar. Ein weiterer Teil ist mit Kritik an der Methode überschrieben. Von den fünf Punkten, die dort aufgelistet sind, beziehen sich nur die grundsätzlichen Zweifel an der Stellvertreter-Wahrnehmung auf Hellingers Methode. Alles andere ist Polemik gegen die Person Bert Hellingers und seine Arbeitsweise und hat mit einer Methoden-Kritik über­haupt nichts zu tun.

  1. http://mei-berlin.de/frames/community/whc/texte/i-hellinger.htm ↩︎

Nach oben scrollen