Systemiker

Wenn hier von Systemikern die Rede ist, dann sind nicht „phänomenologisch-systemische“ Aufsteller nach Hellinger gemeint, sondern jene, die der System­theorie von Niklas Luhmann anhängen. Sie nennen ihr Glaubenssystem „Systemik“. (So habe ich es jedenfalls bei Arist von Schlippe gelesen.) Wer mehr darüber wissen möchte, bekommt eine verständliche Darstellung im Buch Die Hellinger-Kontroverse (20059 von Wilfried Nelles.[1]

Wenn im Ausland der Begriff „systemisch“ verwendet wird, ist in aller Regel die Arbeits­weise nach Hellinger gemeint, weshalb ich hier manchmal von den „deutschen Systemikern“ spreche, zur leichteren Unterscheidung. Sie selbst bezeichnen sich auch als „Konstruktivis­ten“, was ihren Glauben andeutet, dass es Tatsachen, Wirklichkeit oder gar Wahrheit gar nicht gäbe, sondern immer nur das, was sich einzelne Personen in ihrem Kopf zusammenbasteln (oder eben „konstruieren“) und dann für tatsächlich halten.

Von den Ordnungen, die im Familienstellen nach Bert Hellinger als Tatsache gelten, mögen diese Systemiker nichts wissen. Das wären alles nur konstruierte, austauschbare Sichtweisen. Gleichwohl nehmen sie für sich in Anspruch, dass sie mehr Rechte am Begriff „systemisch“ hätten, weil sie sich schließlich schon früher so genannt haben, vor Hellinger. Ohne es so zu nennen, berufen sie sich auf Hellingers Ordnung der Hierarchie nach dem Alter, genauer: nach der Dauer Zugehörigkeit. Sie waren zuerst da, Hellinger kam später.

Dass Hellinger manches anders macht, als er es nach dem Kanon dieser Systemiker machen müsste, ist den Wacheren unter ihnen früh aufgefallen. Mitte der 90er Jahre gab es in Psycho­logie Heute zwei Artikel von Fritz B. Simon, wovon der erste noch wohlwollen-bedenklich, der zweite schon recht polemisch ausfiel. In dieser Zeit nahm das öffentliche Interesse an Hellinger und seiner Arbeit rasant zu, und der Begriff „systemisch“ wurde zunehmend mit Hellingers Namen verbunden.

Das war für die deutschen Systemiker bedrohlich. In den Jahren 2002 bis 2004 veröffent­lichten die SG (der Verband der systemischen Ausbildungs-Institute) und die DGSF (der systemische Mitglieder-Verband) mehrere Anti-Hellinger-Erklärungen, zum Teil mehr oder weniger sachlich („Die Gleichsetzung zwischen Aufstellungsarbeit und systemischer Therapie ist fehlerhaft und irreführend.“[2]), dann auf einer ganz persönlichen Ebene gegen Bert Hellinger gerichtet[3] und schließlich mit der sogenannten Potsdamer Erklärung die Pro­klamation einer „Aufstellungsarbeit ‚jenseits von Hellinger’. (…) Die enge Verbindung mit seinem Namen ist heute nicht mehr aufrechtzuerhalten.“

Diese Formulierung legt die Deutung nahe, das Familienstellen nach Hellinger sei nur ein Irrtum der Geschichte, der mit dieser Erklärung aufgeklärt wäre. Die Verbindung mit Hellingers Namen sei „nicht mehr aufrechtzuerhalten“, Familienaufstellungen fänden richtig nur innerhalb der systemischen Therapie statt. Diese Haltung findet sich von damals bis heute in zahlreichen Darstellungen systemischer Therapeuten wieder, so auch auf der Internet-Seite therapie.de.

Bei Google ist diese Seite die erste Adresse, die das Publikum über Familienstellen informiert – oder desinformiert. Ich habe sie darum etwas gründlicher analysiert.


[1] auch: https://www.nellesinstitut.de/wp-content/uploads/2019/02/Hellinger-und-die-Systemische-Therapie.pdf
[2] Stellungnahme der Systemischen Gesellschaft zur Aufstellungsarbeit nach Bert Hellinger. 2002
[3] Arist von Schlippe (Vorsitzender der SG) Offener Brief an Bert Hellinger. 2004

Die nachfolgenden Anmerkungen beziehen sich auf den Text Familienaufstellung von Christine Amrhein im Internetportal therapie.de, datiert mit 1.11.2011.
Er untergliedert sich in die Abschnitte
1) Familienaufstellung und Familienskulptur
2) Familienaufstellung nach Hellinger
3) Neue Ansätze mit positivem Effekt
4) Forschungen zur Aufstellungsarbeit
5) Fazit und Tipp

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