9. Ist es Psychotherapie?

Das Familienstellen nach Hellinger im Umriss

In der frühen Zeit seines Familienstellens verstand sich Bert Hellinger als Familientherapeut. Nach ersten, eindrücklichen Erlebnissen stellte er fest: „Die Familientherapie ließ mich nicht mehr los. Weil ich immer klarer die systemischen Dimensionen von Problemen und Schicksalen erkannte, hat sich meine therapeutische Arbeit in einem Jahr so verändert, dass sie zur Familientherapie wurde.“12

„Systemisch“ bedeutete für Hellinger: „Ich sehe einen Menschen nicht individuell. Ich sehe ihn immer als Teil eines größeren Ganzen. Wenn ich zu jemandem spreche, rede ich eigentlich nicht mit ihm als Person, sondern gleichsam zu seiner Seele, wo er mit etwas Größerem verbunden ist. Und das bewirkt viel mehr, als wenn ich es eingrenze auf jemand Einzelnen.“13

Hellinger hat seine Methode wie selbstverständlich in dem Zusammenhang entwickelt, in dem er sie entdeckt hatte, als Familientherapie. Wie selbstverständlich wandte er sie an auf die Beziehungen in einer Familie. Dabei hat die Vorgehensweise, eine Beziehungsstruktur mit Stellvertretern aufzustellen, an sich nichts mit Familien zu tun. Sie muss auch nicht darauf beschränkt werden.

Die Frage, ob das Familienstellen nach Hellinger als eine systemische Familientherapie zu verstehen sei oder nicht, ist nur in Bezug auf die konstruktivistische Systemische Therapie eindeutig zu beantworten: Das ist es nicht! Aber wenn ein Psychotherapeut damit arbeitet, dann ist das Familienstellen eine großartige Methode der Familientherapie. Und im oben genannten Sinne ist sie auch systemisch.

Die Methode ist aber nicht per se eine Psychotherapie. Ein Anliegen mit Stellvertretern aufstellen um zu sehen, ob sich dadurch etwas Erhellendes zeigt, das zuvor verborgen war, das kann und darf jeder tun. Es ist auf keinen therapeutischen Zusammenhang beschränkt. Dazu braucht man nicht einmal eine Ausbildung. Stellvertreter aufstellen und „sehen, was sich zeigt“, ist jedem möglich und erlaubt. Allerdings – wenn sich dann etwas Wesentliches zeigt, dann hat es meistens auch eine heilsame Wirkung.

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12 Linz, 1994
13 Hellinger im Interview 1995

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