Hellingers eigener Beitrag II

In seiner späten Periode sorgte Bert Hellinger für Verwirrung, als er seiner Aufstellungsarbeit verschiedene Bezeichnungen gab, die wie Stochern im Nebel anmuteten: Bewegungen der Seele, Bewegungen des Geistes, multidimensionales oder mediales Familienstellen, et cetera. Oder (schlicht und völlig inhalts­los) Neues Familienstellen. Auch ich habe mich lange bemüht, mir und anderen dieses neue oder geistige Familienstellen zu erklären. Aber niemand weiß es genau zu sagen. Vielleicht hat das einen ganz einfachen Grund: Es gibt kein Neues Familienstellen!

Zwar gibt es ein paar veränderte Modalitäten in der Ausführung, aber letztlich bleibt es bei dem, was Bert im Jahr 2003 formuliert hatte: „In der von mir angewandten Form besteht die Methode in nichts anderem, als dass jemand für die Mitglieder aus seiner Familie Stellvertreter auswählt und diese gesammelt in Beziehung zueinander stellt. So jedenfalls war es am Anfang. Wir wollten nur sehen, was zeigt sich über die Beziehungen in einer Familie, wenn man sie durch Stellvertreter aufstellt.“1

„Am Anfang“ heißt: Als Hellinger wie selbstverständlich im Kontext von Familientherapie mit Aufstellungen arbeitete. Die Aufstellungsmethode an sich ist aber nicht an diesen Kontext gebunden, weder an Familie noch an Therapie. Wenn man diese Begrenzung fallen lässt, führt die gleiche Aufstellungsarbeit unweigerlich, wie Bert es oft und gerne nannte, „in eine andere Dimension“.

Als er das vortrug, war dieser Anfang schon 20 Jahre her. Inzwischen hatte sich einiges verändert: Erstens die rasante und weite Verbreitung dieser Methode. Zweitens hat Bert sich seit Mitte der 90er Jahre von der Psychotherapie wieder weg und auf eine (im weitesten Sinn) religiöse Erkenntnis hin ausgerichtet. Dies hat er aber nicht als persönliche Entwicklung dargestellt, sondern als etwas Objektives: „Das Familienstellen hat sich weiter entwickelt“. Und das, möchte ich sagen, stimmt einfach nicht.

Wilfried Nelles schrieb in seinem Artikel, auf den hinzuweisen ich nicht müde werde:
Erst Jahre danach wurde es mir ganz klar: Die Arbeit von Bert Hellinger war schon zu diesem Zeitpunkt [2005] nicht mehr die Arbeit von Bert, sondern die von Marie-Sophie Hellinger. Er hatte seine eigene Arbeit aufgegeben und sah seine einzige Aufgabe darin, ihr zu folgen und sie zu unter­stützen.

Wie weit Sophie Einfluss darauf hatte, dass Bert mit den „Bewegungen des Geistes“ um 2004 ein „Neues Familienstellen“ proklamierte, darüber unterhielt ich mich mit Wilfried Nelles.
Ich meinte: „Das Konzept des ‚Geistes‘ ist sicher nicht von Sophie. In der Abgrenzung zum früheren Familien­stellen war es sicher ein ‚Alleinstellungsmerkmal‘. Das ist ja auch doppeldeutig: Er (bzw. sie) hat dann etwas, was nur er/sie hat. Aber auch: Er steht damit allein da. Das wollte sie ja auch, dann war er ja um so abhängiger von ihr.“
Dazu Wilfried: „Klar kam der ‚Geist‘ von ihm. Das ‚geistige Familienstellen‘ war dann der perfekte Kompromiss: Sie konnte es als das ‚Neue‘ propagieren, und er konnte sich dem Geist zuwenden.“

  1. Bert Hellinger, Das Familienstellen – eine Standortbestimmung. Vortrag von 2003, veröffentlicht in Praxis der Systemaufstellung 2/2004 ↩︎
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