5. Die Anfänge

Das Familienstellen nach Hellinger im Umriss

In einem Vortrag fasste Bert Hellinger zusammen: „Das Familienstellen ist zunächst einmal eine Methode. In der von mir angewandten Form besteht sie in nichts anderem, als dass jemand für die Mitglieder aus seiner Familie Stellvertreter auswählt und diese gesammelt in Beziehung zueinander stellt. So jedenfalls war es am Anfang. Wir wollten nur sehen, was zeigt sich über die Beziehungen in einer Familie, wenn man sie durch Stellvertreter aufstellt, unabhängig von bestimmten Zielen.“ 5

„Am Anfang“, das war in den 80er Jahren. Um das Jahr 1980 hat Hellinger, nachdem er bereits verschiedene andere Methoden gelernt und praktiziert hatte, auch die Familientherapie mit ihrer Familienaufstellung kennengelernt. Als Stellvertreter in diesen Aufstellungen machte er diese Erfahrung: „Wenn sie [die Therapeuten] jemanden an einen anderen Platz gestellt haben, hat sich etwas verändert. Mir wurde deutlich, dass das Bild [der Aufstellung] mehr mitteilt, als mir einer sagt, viel mehr. Ich achte auf das Bild. Oft ergibt sich aus dem Bild sofort der nächste Schritt. Wenn zum Beispiel ein Stellvertreter in eine Richtung schaut,
dann führe ich ihn sofort in diese Richtung.“ 6

Doch wie verlässlich sind diese Stellvertreter-Wahrnehmungen? Wohin führen sie uns? Gibt es darin, wie sich Störungen in den Ordnungen auf unser Leben auswirken, Gesetzmäßigkeiten? An diesen Fragen hat Hellinger über viele Jahre hinweg experimentell gearbeitet. Hatte ein Klienten sein Anliegen aufgestellt, befragte Hellinger nacheinander die Stellvertreter. Sagte dann jemand: „Es zieht mich in diese Richtung“, ließ er ihn ein paar Schritte in die
Richtung gehen und fragte dann: „Geht es dir hier besser oder schlechter?“ Und er fragte auch die anderen: „Wie geht es dir damit? Geht es dir jetzt besser oder schlechter?“ So prüfte er jeden Entwicklungs-Schritt einer Aufstellung auf seine Wirkung.

Ob die Ordnungen Hellinger schon vorher bewusst waren oder ob er sie durch diese Arbeit gefunden hat, ist nicht klar. Auf jeden Fall haben sie sich in der Aufstellungspraxis als zutreffend erwiesen. Wenn man weiß, dass es diese Ordnungen gibt, kann man in einer Aufstellung erkennen, wo sie gestört sind und wie die Verhältnisse wieder zu ordnen wären.

Außerdem fand Hellinger heraus, dass Einstellungen, Gefühle und Impulse, die in einem System wirken, oft nicht wirklich zu der Person und ihrem Lebenslauf gehören, die sie so erlebt, sondern zu anderen, früheren Personen im Familiensystem. Zum Beispiel: Eine Frau ist wütend auf ihren Mann. Ein überzeugender Grund ist nicht zu finden, aber das Gefühl ist da. Nachfragen zur Familiengeschichte oder das Bild der Aufstellung ergaben, dass eine Großmutter Grund hatte, auf ihren Mann wütend zu sein. Sie konnte es aber nicht zum Ausdruck bringen. Nun tat das die Enkelin „stellvertretend“ für sie, ohne den Zusammenhang zu wissen. Hellinger nannte das, jemand sei mit dem Schicksal einer früheren Person „verstrickt“.

Solche Verschiebungen oder Verwechslungen sind keine Ausnahmen, sondern fast die Regel. In einer Aufstellung lässt sich das prüfen und klären.

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5 Bert Hellinger, Das Familienstellen – eine Standortbestimmung.
6 Hohnen/Bertold Ulsamer, S. 24

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